Silvan Meier Rhein / Aktuelles

19.12.2021

Krankentaggeld: Zweimal gewonnen vor Bundesgericht - in Krankentaggeldfällen muss ein Gerichtsgutachten möglich sein

Die Krankentaggeldversicherung hat den Zweck, den Lohnausfall bei Arbeitsunfähigkeit abzusichern. Dabei sind Krankheit und Arbeitsunfähigkeit von der versicherten Person nachzuweisen. Dazu dienen ihr Arbeitsunfähigkeitszeugnisse und Berichte der behandelnden Ärzte. So auch im Fall einer Versicherten im Jahre 2015. Doch das reichte der Versicherung nicht. Trotz Arbeitsunfähigkeitszeugnissen stellte sie die Leistungen nach wenigen Monaten ein. Sie stützte sich auf ein Parteigutachten, welches die Diagnose bestritt.

Die Versicherte beauftragte einen Anwalt der advokatur rechtsanker. Dieser erhob gegen die Versicherung Klage und beantragte beim Gericht die Einholung eines unabhängigen medizinischen Fachgutachtens. Der Gutachter müsse beurteilen, ob die behandelnden Ärzte die Versicherte zurecht krankgeschrieben haben oder nicht.

Das Sozialversicherungsgericht blockte diesen Antrag jedoch ab. In antizipierender Beweiswürdigung lehnte es die Einholung eines Gerichtsgutachtens ab, da nach nunmehr über einem Jahr die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr rückwirkend nachzuweisen sei. Pikant war, dass seit Klageerhebung und dieser Einschätzung durch das Gericht mehr als ein Jahr vergangen war.

advokatur rechtsanker zog den Fall vor Bundesgericht und wehrte sich mit Erfolg gegen diese Verletzung des Rechts auf Beweisführung. Das Bundesgericht gab der Versicherten Recht und wies den Fall an das kantonale Versicherungsgericht zurück. Dabei hielt es fest: Für die antizipierte Beweiswürdigung spiele es keine Rolle, ob die vorhandenen Berichte als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit genügen oder nicht. Entscheidend sei nur, ob die vorhandenen Berichte dem Gutachter eine ausreichende Grundlage bilden, um die Arbeitsfähigkeit rückwirkend zu beurteilen. Dies habe das kantonale Gericht verkannt. (Urteil des Bundesgerichts vom 15.05.2019 4A_66/2018)

Das Sozialversicherungsgericht musste sich somit ein zweites Mal mit dem Fall befassen. Auch dieses Mal wurde der Antrag auf Einholung eines Gerichtsgutachtens abgelehnt. Die vorhandenen Arztberichte seien keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung von Gesundheitsschaden und Arbeitsfähigkeit durch den Gutachter.

Ein zweites Mal zog advokatur rechtsanker den Fall vor Bundesgericht und behielt auch diesmal Recht. Das höchste Gericht wies den Fall erneut ans kantonale Sozialversicherungsgericht mit dem nun klaren Auftrag, ein Gerichtsgutachten anzuordnen. (Urteil des Bundesgerichts vom 02.06.2021 4A_12/2020)

Fazit: Durch die Intervention von advokatur rechtsanker konnte eine drohende, unheilvolle Praxis im Krankentaggeldbereich verhindert werden. Stellt die Versicherung die Arbeitsunfähigkeitszeugnisse behandelnder Ärzte mittels eines Versicherungsgutachtens in Frage, so muss die versicherte Person die Möglichkeit haben, ihre Krankheit und Arbeitsunfähigkeit im Streitfall mittels eines Gerichtsgutachtens beweisen zu können. Den kantonalen Gerichten wurde ebenfalls deutlich zu verstehen gegeben, dass entsprechende Beweisanträge nicht einfach mittels antizipierter Beweiswürdigung abgeschmettert werden können.